Sa 3. Sep 17:21:25 CEST 2011 (osti)

Landau, Lifschitz: Mechanik

Lev Landau, Lifschitz: Lehrbuch der theoretischen Physik, Band Ⅰ: Mechanik
  • Verlag Harri Deutsch, 2007, unveränderter Nachdruck der 14., korrigierten Auflage 1997
  • ISBN 978-3-8171-1326-2 (Leineneinband-Ausgabe)

Die Autorität.

Landau und Lifschitz haben mit ihrem zehnbändigen Werk die wesentliche Theorie bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts (bis einschließlich Quantenelektrodynamik) dargestellt. Man sagt, wenn die Natur einmal nicht wüsste, wie sie sich zu verhalten hat — schlägt sie in diesem Buch nach. In Band Ⅰ geht es um die klassische Mechanik nach Lagrange und Hamilton.

Der Inhalt.

Das Standardprogramm der Analytischen Mechanik. Hamilton-Prinzip, Erhaltungssätze, Keplerproblem; harmonische Schwingungen ohne und mit Reibung, in ein bis drei Dimensionen; starrer Körper; Hamilton-Jacobi.

Themen, die nicht überall zu finden sind: anharmonische Schwingungen, die Euler-Winkel und -Gleichungen, Poisson-Klammern.

Der erste Band ist noch recht knapp gehalten mit seinen rund 220 Seiten; höheren Themen widmet das russische Duo weit mehr. Für heutige Vorlesungen nicht allein geeignet; ein „aktuelles“ Buch sollte noch sein. Aber als Ergänzung / Vertiefung zu bestimmten Themen durchaus zu empfehlen.

Aufbau der Kapitel.

Insgesamt 52 Paragraphen in sieben Kapiteln, mit zwei bis drei Aufgaben (inklusive Lösung, aber teilweise sehr hart).

Zur Sprache.

Eine sehr nüchterne, wissenschaftliche Sprache, die nicht vom Stoff ablenkt. Man muss aber sehr konzentriert lesen, sonst blättert man bald wieder zurück. Die verwendeten Symbole entsprechen nicht dem „aktuellen Standard“. In meiner Version weist der Herausgeber darauf hin, wie die potentielle Energie, der Drehimpuls und das Drehmoment in anderen Büchern bezeichnet werden. Danke!

Übrigens: In meiner Auflage ist das Vektor-Kreuzprodukt durch ein Kreuz gekennzeichnet; frühere Auflagen (und aktuelle Versionen der andern Bände) verwenden eine recht ungewöhnliche Schreibweise mit eckigen Klammern.

Was ich mag.

Mit seiner nüchternen Sprache konzentriert sich das Buch auf das wesentliche; als Klassiker hat es seinen Platz (zusammen mit dem Feyman) im Regal für die vorzeigbare Literatur verdient. Auch optisch macht der rote Leineneinband mit goldener Schrift einige her.

Was mir fehlt.

Aufgrund des Alters ist die Stoffauswahl nicht immer kongruent zu aktuellen Vorlesungen. Der Landau-Lifschitz sollte also nicht das einzige Buch im Regal sein. Auch von graphischer Seite her gibt es durchaus Attraktiveres.

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Fr 12. Aug 20:05:36 CEST 2011 (osti)

Geoffrey Brooker: Modern Classical Optics

Geoffrey Brooker: Modern Classical Optics
  • Oxford University Press, 2002
  • ISBN 978-0-19-859965-4 (Taschenbuch)
  • ISBN 978-0-19-859964-7 (Gebundene Ausgabe)

Der Inhalt.

Lineare, klassische (Wellen-)Optik, insgesamt 16 Kapitel mit unterschiedlichen Themen. Die ersten zwei Kapitel (Electromagnetism and basic optics sowie Fourier series and Fourier transforms) definieren das Thema und führen die wichtigsten mathematischen Methoden ein. Die Kapitel 3 bis 6 behandeln ausgiebig verschiedene Themen der Lichtbeugung (Kirchhoff-Integral, Fresnel- und Fraunhofer-Beugung, Beugungsgitter, Fabry-Peror und dünne Filme), gefolgt von zwei Kapiteln über Gaußsche Strahlen und Kavitäten. Ab Kapitel 9 geht es um die Kohärenztheorie: Zunächst sehr anschaulich-qualitativ ("Imagine that somehow we could come to know the (complex) amplitude U_1(t) of one wavetrain. A second wavetrain U_2(t) is coherent with the first if we could predict its value."), in Kapitel 10 quantitativ über Korrelationsfunktionen erster und zweiter Ordnung. Weitere Kapitel beschäftigen sich mit Bildgebung, Holographie und der Glasfaser.

Aufbau der Kapitel.

Einleitung, viele Beispiele und Rechnungen, zahlreiche Erklärungen. Zum Schluss sehr viele Aufgaben (bei manchen Kapiteln über zehn Seiten), viele mit Lösungshinweisen. Insgesamt geht es bei den Aufgaben nicht darum, stur etwas durchzurechnen — die Physik steht im Vordergrund, hierüber soll diskutiert werden. An vielen Stellen nimmt der Autor die "Practicalities" unter die Lupe: Unter welchen experimentellen Bedingungen kann man ein wie starkes Signal erwarten? Wie hoch ist die Auflösung? Wie kann man sie verbessern?

Zur Sprache.

Gut verständliches Englisch. Besonders im ersten Kapitel zur Kohärenz wurde viel Wert auf eine bildhafte Sprache gestellt: Zuerst kommt die geistige Vorstellung der physikalischen Prinzipien, danach der mathematische Formalismus.

Was ich mag.

Modern Classical Optics verspricht der Titel, und das Buch hält es. Die altehrwürdige Wellenoptik wird in einer frischen Verpackung neu aufbereitet und durch aktuelle Themen (CD, konfokales Mikroskop) bereichert. Der Autor legt erfolgreich großen Wert darauf, Zusammenhänge zu vermitteln und zum Nachdenken anzuregen.

Was mir fehlt.

Das Röntgenspektrum wird viel zu selten erwähnt …

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Sa 6. Aug 16:49:59 CEST 2011 (Markus Osterhoff)

Torsten Fließbach: Allgemeine Relativitätstheorie

Torsten Fließbach: Allgemeine Relativitätstheorie
  • Spektrum Akademischer Verlag, 2006, 5. Auflage
  • ISBN 978-3-8274-1685-8 (Gebundene Ausgabe)

Der Inhalt.

Sehr umfassend. Im knappen, aber präzisen Fließbach-Stil werden alle großen und viele kleine Themen der ART angesprochen.

„Der Fließbach“ besteht aus zehn großen Kapiteln mit einer handvoll Unterkapiteln. In der Einleitung werden die wesentlichen Eigenschaften einer Theorie der Gravitation vorgestellt, im ersten Kapitel dann die grundlegende Mathematik und Physik besprochen. Los geht's mit einer Rückbesinnung auf die SRT und damit Elektrodynamik, gefolgt von der mathematischen Darstellung (Tensoren, Minkowskiraum).

Kapitel 3 und 4 widmen sich den physikalischen und mathematischen Grundlagen; im 5. Kapitel geht es dann mit den Grundgesetzen der ART zur Sache. Statische Gravitationsfelder, Gravitationswellen, statische und dynamische Sternmodelle — und zum Schluss noch ein bisschen Kosmologie. Da reicht natürlich der Platz nicht mehr für alle Details. Aber wer hier noch nicht genug hat, kann ja mal in den Weinberg schauen …

Aufbau der Kapitel.

Wer schonmal „einen Fließbach“ gelesen hat, muss hier gar nicht weiterlesen. Die Kapitel sind sehr knapp gehalten, trotzdem wird alles wesentliche gesagt (geschrieben). Zentrale Formeln haben immer einen Kasten. Umfangreiche Herleitungen sucht man zwar vergebens, dafür gibt es aber Erklärungen, Abschätzungen von Größenordnungen, Hinweise auf experimentelle Überprüfungen.

Zur Sprache.

Knapp. Fließbach. Kisten.

Wer einen Roman lesen möchte, ist hier falsch.

Was ich mag.

Auf über 300 Seiten wird einfach jedes relevante Thema der ART angesprochen. Falls das doch einmal nicht reicht, muss man nochmal in die Bibliothek.

Was mir fehlt.

Manchmal doch etwas knapp, aber eigentlich ist in diesem Buch alles zur ART gesagt.

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Mi 3. Aug 19:33:40 CEST 2011 (Markus Osterhoff)

Peter Smith: An Introduction to Gödel's Theorems

Peter Smith: An Introduction to Gödel's Theorems

  • Cambridge University Press, 2007 (fourth printing 2009)
  • ISBN 978-0-521-67453-9 (paperback)
  • ISBN 978-0-521-85784-0 (hardback)


Der Inhalt.

35 Kapitel (plus ein „Looking Back“). Zunächst ein kurzer Überblick über das Buch, danach einleitende Kapitel, die in die verwendete Sprache einführen und grundlegende Begriffe definieren. Schon früh wird in Kapitel 5 der erste Incompleteness-Satz bewiesen. Später primitiv-rekursive Funktionen, Gödels Erster und Zweiter Satz, µ-rekursive Funktionen, Halteproblem, etc.

Viele Erläuterungen zu den Sätzen, ausführliche Beweise. Offiziell für Philosophen geschrieben; aber auch Physiker, die sich für Gödels Sätze und deren Implikationen interessieren, verständlich.

Aufbau der Kapitel.

Einführender Text, der die neuen Konzepte des Kapitels vorstellt und allgemeine Aussagen trifft. Diese werden dann in den folgenden Abschnitten durch Definitionen, Sätze mit Beweisen und Beispiele vervollständigt und illustriert.

Zur Sprache.

Gehobenes Englisch; Wörterbuch sinnvoll. Die mathematischen Ausdrücke sollten einen Physik-Studenten nicht abschrecken; die betonte Unterscheidung zwischen „informal mathmatics“ und „formal language“ (Logik) ist recht ungewöhnlich. Es gibt viele Hinweise, dass pedantische, vom Lesen mittlerweile sehr aufgebrachte Logiker einige Schreibweisen und Argumente so nicht akzeptieren. Sie mögen sich einschränkende Formulierungen dazu denken.

Was ich mag.

Dieses Buch bietet eine verständliche und ausführliche Einführung in die Unvollständigkeit axiomatischer Theorien. Die Beweise sind ausführlich; die Sätze und Erkenntnisse werden von lebhaften Texten umrahmt.

Was mir fehlt.

Es gibt nur wenig Bilder (erst weit hinten bei den Turing-Maschinen). Für die ersten Kapitel wären kleine Skizzen hilfreich, um die verschiedenen Begriffe besser auseinanderhalten zu können.

Posted by Markus Osterhoff | Permalink | Categories: Reading

Mi 3. Aug 19:31:49 CEST 2011 (Markus Osterhoff)

Jürgen Becker et al: So was lebt und Goethe musste sterben

Jürgen Becker, Dietmar Jacobs, Martin Stankowski: So was lebt und Goethe musste sterben -- Der dritte Bildungsweg

  • Kiepenheuer & Witsch, 2009 (2. Auflage)
  • ISBN 978-3-462-04166-8


Der Inhalt.

„Zuhause ist wegfahren am schönsten“, heißt das erste Kapitel des neuen Buches von Jürgen Becker (4711, Mitternachtsspitzen, Stunksitzung etc. pp.). Die Autoren nehmen den Leser mit auf eine Reise quer durch den Westen Deutschlands. An 17 Orten stellen sie die Sehenswürdigkeiten vor, die sonst wohl nie jemand suchen würde. Etwa die Klapp-Kirche St. Anna zu Augsburg: Je nach Konfession (kniend oder stehend) werden die Bänke umgeklappt. „Die Glaubensrichtung ist einstellbar“, „Mutter sitzt katholisch, Sohn evangelisch“, so zwei Bildzeilen.

Schön auch das Kapitel „Römer go home — über die Germanen". Hier erfahren wir im Schnelldurchlauf noch einmal alles, was wir in der Schule gleich vergessen haben:

„Die Germanen waren zersplittert in Bundesländer, wie wir das heute auch noch kennen: Schleswig-Holstein hat nichts mit Sachsen zu tun, und wenn man in Bayern die AOK-Rückenschule abgeschlossen hat, gilt das in Bremen als Abitur.“

Auch die Speere der Germanen tauchen in unserer Zeit wieder auf, beim Nordic Walking. Zur Varus-Schlacht finden wir diese Zeilen:

„Arminius war also eigentlich kein Held, sondern ein Typ, der die Seiten wechselte und null Prozent Steuern wollte. So eine Art Guido Westerwelle der Antike.“

Aufbau der Kapitel.

Satire umrahmt Ausflug. Siebzehn Ziele, die man so nie besuchen würde. Dazu satirische Texte über verschiedene Themen (Religion, Geschichte, ...).

Zur Sprache.

Herrlich, rheinisch, lustig.

Posted by Markus Osterhoff | Permalink | Categories: Reading